Die vergessene Glasplatte
Sonntagabend-Gedanken
Wenn seit den fotografischen Anfängen schon immer parallelen mit dem Auge, dem Sehen und sogar in Richtung Netzhaut (chemischer Träger) gezogen wurden, dann wird trotz aller Technik etwas Menschliches in der Funktionsweise gesehen. Zwar speichert die Technik/Kamera von selbst keine Bilder, wirft bei abgenommenem Objektivdeckel jedoch kontinuierlich Bilder, ja sogar einen Film, auf die Mattscheibe. Unzählige potenzielle Bilder, latente Bilder.
Es entsteht also nur ein Bild, sobald wir uns aktiv dazu entscheiden in dem wir den Auslöser drücken. Dafür müssen wir davor jedoch meist auch aktiv sehen. Wenn man sich nicht aktiv zur Wahrnehmung entscheidet, so sieht man auch „nichts“, wie die unempfindliche Mattscheibe der Kamera. Wie oft geht man an irgendetwas vermeintlich unscheinbarem vorbei, da man es nicht „auf dem Schirm“ hat? Da stelle ich mir die Frage wie sich meine Wahrnehmung mit und ohne „Schirm“ bzw. Mattscheibe verhält? Was sortiert mein Gehirn im Unterbewussten aus, was ich dann plötzlich auf der Mattscheibe „tatsächlich“ sehe?
Wie wirkt sich dann die Dauerbetrachtung der Welt durch das Smartphone, den Kamerasucher und den digitalen Endgeräten etc. auf die Wahrnehmung der Umwelt aus? Auf der einen Seite bietet uns diese Zwischenebene einen selektierten und beruhigten Bildausschnitt auf welchen wir uns konzentrieren können, doch auf der anderen Seite ist das Leben eben mehr als diese zweidimensionelle Betrachtungsebene.
Mir ist es klar, dass man nie auf einen gemeinsamen Nenner von Fotografie, Sehen und „die vermeintliche“ Wirklichkeit kommen wird. Doch einfach nur konsumieren von realter, fiktiver und abbildender Umwelt macht meiner Meinung nach auf einer gewissen Weise blind.
Eine allgemeine Wahrheit wird es in allen Bereichen wahrscheinlich nie geben, doch die Imagination derer ist wohl treffend als nicht richtig zu bezeichnen.
12 Monate – 12 Teilnehmer – ?? Bilder
Letztes Jahr wurden im APHOG-Forum zwei, kameratechnisch unterschiedliche, “ 12 Monate – 12 Teilnehmer – 12 Bilder“-Aktionen gestartet. Mir geht es in diesem Text nun um einen kleinen Erfahrungsbericht mit der Seagull.
Ich hatte mich schon bewusst an das Jahresende gesetzt, doch leider nicht bedacht das der Tag im Winter weniger Licht hat. Das man somit weder vor noch nach der Arbeit fotografieren kann wurde mir zu spät bewusst. Nicht, wenn man wie ich keine Nacht- oder gar Dämmerungsaufnahmen aufnehmen möchte. Der Start mit der Kamera und mir gestaltete sich zusätzlich insofern schwierig, dass die Kamera nicht zu mir wollte. Das sie eigentlich schon längst bei mir hätte sein sollte hatte ich vor lauter unterwegs sein total vergessen. Aber dann kam die Nachricht des vorherigen Fotografen, dass die Kamera wieder bei ihm gelandet sei. Einige Tage später und einige Filme weniger (Portoersatz) war die Kamera wirklich da!
Doch die reine Anwesenheit der Kamera macht noch lange kein Foto. So kam sie einfach überallhin mit. Ich war mit ihr in Ostdeutschland, Freiburg, Köln…..doch nein, ich wollte und konnte kein Foto machen. Ich ging ganze drei (!) Wochen mit dieser Kamera und den Gedanken an das eine Foto schwanger. Diese Aktion verfolgte mich wie ein lästiger Schatten, doch ich konnte einfach nicht fotografieren! Ich hatte schon beinahe vorgehabt die Kamera ohne Foto an den Nächsten zu schicken, da überwand ich mich schlussendlich und inszenierte es mit einem Fahrrad vor dem Atelier. Es war nicht schwierig, tat auch nicht weh, ich musste einfach ein Bild weiter auf die Nummer 11 drehen und auf den Auslöser drücken. Schlussendlich war ich sehr erleichtert und schickte die Kamera weiter. Einige Wochen zu spät.
Es ist mit der (analogen) Fotografie manchmal wie mit einer Klassenarbeit bevor man sie zurück bekommt. Man schwebt gefühlstechnisch zwischen Neugierde und dem „nicht sehen wollen“ des Ergebnisses. So ist es bei mir meist der Fall!
Es hat sich schlussendlich wirklich ein Fehler eingeschlichen. Aber ich ärgere mich nicht besonders darüber, es ist absolut typisch für mich. Wer mich kennt, der weiß über mein fotografisches Fehlertalent bescheid. Schwamm drüber, aber so schnell mache ich bei so einer Aktion nicht wieder mit. Es ist wie eine Prüfung für mich und ich komme darauf nicht wirklich gut klar. Lieber stecke ich die (gedankliche) Engerie in meine eigenen Projekte. Es war zwar ein gutes Erlebnis, aber es hat so viele Nerven und Energie gekostet.
Schlussendlich ist kein wirkliches Bild für den letzten Fotografen übrig geblieben………sorry!