Fotosoziale Beobachtungen

foto_im_kopfIn der letzten Zeit beschäftige ich mich desöfteren mit alten Fotozeitschriften, sowie Fotobüchern. So stammt diese Zeichnung aus der 50er Jubiläumsausgabe der Photopresse des Jahres 1995 und steht für mich symbolisch für mein Fotowörter-Projekt. Denn die meisten Wortneuschöpfungen und Neuinterpretationen stützen sich aus „fotosozialen Beobachtungen“, welche sich bei mir in den vergangen über 10 Jahren angesammelt haben.

Ich hatte und habe mit vielen Fotoleuten zu tun, ob es nun die jüngeren aus der Fotoschule waren, die eher etwas älteren aus Fotostammtischen und Internetforen oder sogar Beziehungen. Mein Leben war und ist auch noch sehr fotolastig, was mir langsam durchaus auch etwas fotolästig wird. Daraus haben sich einige Interessen entwickelt und erreichen gerade einen Punkt, an dem ich diese wohl verbinden werde. Mal schauen was daraus wird, es ist auf jeden Fall sehr spannend „Fotomenschen“ zu beobachten (sei es auch nur in Erinnerungen) und gleichzeitig in älteren Publikationen zu recherchieren.

Die Kamera bleibt dafür jedoch weitestgehend unberührt. Gedanken dazu kommen demnächst.

 

Paul Theroux – Orlando oder die Liebe zur Fotografie

Wer viel liest hat viel zu lesen. So geht es mir sehr oft – Der Roman „Orlando oder die Liebe zur Fotografie“ von Paul Theroux wäre mir wohl nie über den Weg gekommen, wenn es nicht im Buch „Fotopsychologie“ von Günter Spitzing erwähnt worden wäre.
Daraus nun, ohne auf den Inhalt eingehen zu wollen, ein paar Zitate, welche mich sehr angesprochen haben.

  • „Blinde Liebe? Es war ein altes Gefühl. Es hatte mich zur Fotografin gemacht.“
  • „“>Das ist nicht Marilyn<, sagte ich, >das ist ein Foto<„
  • „Als Fotografin konnte ich Auge und Kamera nicht trennen. Sie war mein drittes Auge, passgerecht wie eine Juwelierslupe, fast ein eigener Körperteil. Mein Leben war in meinen Bildern. Die Fotografie gab mir Macht über die Gegenstände.“
  • „Es geht ihnen gar nicht um die Fotografie selbst. Der Persönlichkeitskult ist es, an den sie sich hängen“
  • „Was für eine Verschwendung, dachte er. So ne gute Kamera, damit sie Schnappschsse von ihren Enkeln machen kann. Man sollte ihr eine Instamatic geben, sie würde den Unterschied gar nicht bemerken.“
  • „Überfall auf das Auge des Betrachters“
  • „Die besten Bilder sind selten gute Bilder“
  • „Die mit der teuersten Ausrüstung schienen sich immer auf hungernde Eingeborene zu stürzen – den Wert einer Kamera konnte ich jeweils danach einschätzen, wie viel Lumpen auf den Bildern zu sehen waren“
  • „[Die] verzückten Anbeter fotografischer Unsterblichkeit“
  • „>Ihre wahre Liebe ist ihre Kamera<, sagte meine Mutter“
  • „Die Lebenszeit eines Bildes war eine stechende Sekunde – mehr war da nicht“
  • „[ ] , und keines meiner Bilder wurde etwas, weshalb ich mich noch so genau an jedes einzelne erinnern kann.“
  • „Hatte ein Bild nicht mehr zu sein als das Motiv?“
  • „Die einsame Fotografin, die ganz mit ihrer Kamera verschmilzt, die alles registriert, nur sich selbst nicht mehr?“
  • „Das Wochenende ist die Zeit der Fotografen, weil die meisten Amateure sind, die die Woche über in irgendwelchen Büros arbeiten um die Ausrüstung zu bezahlen, die sie wegen der Arbeit nicht ausnutzen können“
  • „Wir lassen es zu, dass andere das Sehen für uns besorgen, und lerne deshalb nie, unseren Augen zu vertrauen. Die Leute versuchen ständig, einem ihre Sicht aufzuzwingen. Wenn die Fotografie überhaupt eine Bedeutung hatte, dann nur deshalb, weil so viele Menschen nicht sehen gelernt hatten.“
  • „Ich schuf keine Bilder – ich fand sie nur“
  • „Ich begann zu zweifeln, ob Fotografie überhaut eine Kunst war. Es war mehr ein Lebensstil, der Beste Beruf den ein junges Mädchen haben konnte, um unter Leute zu kommen, einen Mann zu finden, sich ein paar Groschen zu verdienen“
  • „Die Vergangenheit, diese Dunkelkammer, war Illusion“
  • „In meinen Bildern hatte ich eine Doppelexistenz als Fotografin und als Mensch. Ohne sie war ich niemand.“

10 Gebote für den Camerabesitzer

Folgende „10 Gebote“ wurden in den Agfa Photoblättern (11/1929,12/1928) abgedruckt und haben mich so fasziniert, dass ich diese einfach abtippen musste. Diese Vermenschlichung ist genau nach meinem Geschmack.

  1. Behandle deine Camera wie ein weibliches Wesen! Denn es heißt ja doch „die“ Camera.
  2. Putze sie öfter, damit sie jung und schön bleibt, und du deine Freunde an ihr hast!
  3. Schmücke sie mit einem dauerhaften Kleid (genannt Ledertasche), damit sie vor Staub, Regen und Stoß geschützt ist!
  4. Laß sie nicht herumliegen, damit nicht andere ihre rohe Kraft an ihr auslassen!
  5. Verlange von ihr keine Leistungen, für die nur Spezialcameras bestimmt sind!
  6. Verleih sie nie! Sie kann solche Behandlung nicht vertragen und ist meist lazarettfähig, wenn sie überhaupt zurückkommt.
  7. Nimm sie nicht mit zu Kneiptouren! Das stört den (ge)häuslichen Frieden und kostet meist ein neues Kleid (Lederbezug).
  8. Nimm sie nicht auseinander! Deine Frau kannst du auch nicht ohne Schaden operieren.
  9. Putze ihr Auge nur mit einem weichen Leinenlappen oder ähnlichen Stoff, damit es nicht erblindet!
  10. Wer seine Camera lieb hat, läßt sie – nicht – zu Hause, weil sie sonst bei jeder guten Aufnahmegelegenheit fehlt.