Die fotografische Bürde (2017/2020)

Ein kleiner unperfekter Text aus meinem janalogen Notizbuch, welcher 2017 entstand als ich als Fotoassistentin arbeitete, drei Jahre nach meiner gerade so bestandenen Gesellenprüfung. Einen Punkt weniger in der Praxis und ich wäre durchgeflogen!
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Es ist so, ich darf mich ganz offiziell Fotografin nennen. Das bestätigt mir mein Gesellenbrief der Handwerkskammer von 2014. Doch irgendwie ist es eine Bürde, welche ich damit habe. Es ist ein Zettel, der mir meine Leistung, bzw. in meinem Fall eher ein Stück Versagen, dokumentiert. Doch, dass ist nur das „sichtbare“ Problem.

Ich entschied mich mit 18 (also nun vor 10 Jahren!) für die Fotoschule, da ich zu diesem Zeitpunkt neben meiner Leidenschaft für Bücher nur die Fotografie hatte.
Vor der Ausbildung beschäftigte ich mich eher mit einer Art emotionalen und konzeptionellen Fotografie. Ausgehend von einer Idee oder einem Gegenstand inszenierte ich meine Bilder. Dies geschah, rückblickend gesehen, als Flucht vor dem Alltag, meist spontan und sehr improvisiert. Damals hatte ich noch recht wenig technisches Wissen, doch es funktionierte meist doch und ich hatte viel Spaß dabei. Es war eine ganz andere Art der Fotografie als meine heutige, war sie technisch noch so unbelastet.
Doch dann kam die Fotoschule mit dem theoretischen Unterricht und der Studiofotografie.
Man hatte hier auch Konzepte, ging es jedoch doch vor allem um Werbefotografie, aber irgendwie wurde ab da alles ziemlich komplizierter für mich. Vor allem aus quasi nichts, dem nichts des Fotostudios, etwas schönes zu machen – das wurde mir zum Verhängnis.
Im Hinterkopf hatte ich zudem all die technischen und gestalterischen Regeln. Es wurde mir oft zu viel. Ich weiß, dass ich nicht schlecht war, gerade in der Theorie sogar ziemlich gut. Doch sobald ich dann tatsächlich im Studio fotografieren sollte, ging nichts. Bzw. es war mit vielen Gewissenskonflikten, Ängsten und Überwindungen verbunden, welche sich desöfteren als eine Art Nervenzusammenbruch äußerte.
Ich weiß, dass ist ganz alleine ein persönliches Problem von mir – aber die Technik machte mir vieles schwerer.

Es war für mich so, als gäbe es ein „radikales“ Falsch oder Richtig in der Fotografie. Es lag immer ein Schatten über mir, dass ich meine Arbeit in der Schule und später im Beruf, schlecht mache und ich eigentlich besser sein muss.
Das hatte ich in der Form nicht, als ich fotografisch noch unbelastet war. Und auch in meinen freien Arbeiten bin ich inzwischen, wie das Wort schon sag: frei.
Ich muss meine Arbeiten nur mit gegenüber rechtfertigen, meine Fehler und Schludereien. Meist weiß ich, dass ich besser sein könnte, doch ich bin oft ziemlich wirr im Kopf. Zudem habe ich das versteckte Talent, Fehler oder Probleme herzustellen und zu finden, welche absolut nicht erklärbar sind. Das ist im beruflichen Alltag natürlich nicht akzeptabel und lastet auf mir.
Das ist der Fluch des fotografischen Lohnberufes. Ich habe zwar vieles gelernt, was ich auch anwenden kann, habe aber irgendwie eine Allergie des technisch Komplizierten.

Nachtrag: Dies ist unter anderem der Grund, wieso ich nicht (mehr) als Fotografin bzw Fotoassistentin arbeite und nun andere Wege in der Fotografie suche. Hierbei habe ich mehr Spaß und „versaue“ mir nicht durch die tägliche Arbeit meine Leidenschaft zur Fotografie.

Unkommentierte Zitatsammlung I

…..aus meinem physischen janalog (1.2019-2020.3)

„Fotos von Anfängern lassen uns tief in den Seelenzustand des optisch unerzogenen Menschen blicken. Sie verraten unbezähmten Besitzdrang, ja Raffsucht, und ordnungslosen Wirrwarr der Wünsche. Wo immer der Anfänger die Kamera zückt, beherrscht ihn der Trieb, alles einzufangen -Stadttor,…., und die liebe Familie auf einmal.“ (Rudolf Baucken – Geliebte Sekunde)

„So ist es auch zu verstehen, warum ein Rahmen mit einem Passepartout das Bild noch schöner erscheinen lässt. Seine Grenzen sind noch klarer, noch beruhigender“ (Martin Schuster – Fotopsychologie)

„Auch das augenartige Objektiv der Kamera kann zu eiem großen Abwehramulett werden, das den unsicheren Reisenden beschützt. Die Kamera wird so, ganz unbewusst, zum Talismann des Touristen!“ (Martin Schuster – Fotopsychologie)

„Die Haltung des Fotografen ist die des distanzierten Beobachters, nicht die des einfühlenden Teilnehmers. Diese Haltung entspricht in weit stärkerem Maße der Mentalität des Mannes als das der Frau“ (Berend H. Feddersen – Fotografieren als Sexuelle Aggression)

„Der Photograph stellte sich gleichsam vor die Kamera und verdeckte sie mit seiner Persönlichkeit. Im Augenblick der Aufnahme musste er zwar für ein paar Minuten zur Seite treten – aber in der Vorstellung, die man sich von der Photographie gemäß der alten Bild-Kunst machte, wurde er zum Schöpfer aller Dinge […]. Keiner der je einen Hebel benützte, behauptete, seine Kräfte würden plötzlich so enorm wachsen und der Hebel wäre eine ganz belanglose Sache dabei“ (Pawek – Bild aus der Maschine)

„Dieses neue Wirklichkeits-Erlebnis hat zur Folge, dass heute nicht mehr Gedanken, sondern Ereignisse den Menschen am stärksten beeindrucken (Pawek – Bild aus der Maschine)

„In Wahrheit will ja der Kunde gar keine Kamera kaufen, sondern schöne Erinnerungen.“ (? folgt)

„Die Photographien antworten darauf ganz so, wie sie gefragt wurden“ (Rosalind Krauss – Das Photographische [..])

„Denn so nützlich fotografische Lehrbücher sind, soweit sie die Technik des Negativ- und Positivprozesses behandeln, so durchaus schädich werden sie durch die Grenzsetzung, die sich aus der üblichen Art der Darlegung ästhetischer oder künstlerischer Regeln ergeben“ (Werner Gräff – Es kommt der neue Fotograf)

„Die Technisierung tötet den Geist“ (Windisch – Schule der Farbenfotografie)

„Vom Gerät geht der Zwang aus das Gerät anzuwenden. Gibt man einem Kinde ein Messer, so schneidet, gibt man ihm einen ammer, so schlägt es alles entzwei. Gibt man einem Manne ein Gewehr, so muss er sehr der Versuchung widerstehen, etwas Lebendiges damit totzuschießen. Vom Gerät geht stehts ein Zwang aus“ (Windisch – Schule der Farbenfotografie)

Die aktuelle Situation

Ich bin nun seit fünf Wochen in meiner Heimat, dem Schwarzwald.
Es war in der aktuellen Situation für mich sehr wichtig in familiärer Umgebung zu sein,
doch hier fällt es mir schwierig fotografisch zu arbeiten. Zwar liebe ich die Natur und gehe fast täglich wandern,
aber als Motive für mich und meine Kamera ist diese einfach nicht von Bedeutung.
Auch hab ich aktuell keinen Zugang zu einem Labor, bzw. dem Unilabor – was ein Aufarbeiten meiner alten Negative nicht möglich macht. Weder analog noch über den hybriden Weg.
Durch den Wegfall von Ausstellungsbesuchen sind auch meine künstlerischen „Trigger“ weg und meine Gedanken aktuell überhaupt nicht in diesem Kontext anzutreffen.

Ich hoffe, dass sich diese Situation bald wieder ändert. Bald gehe ich wieder zurück nach Essen, zudem hat die Uni auf dem Onlineweg wieder angefangen. Daher bin ich frohen Mutes, dass ich bald wieder das Gefühl habe kreativ zu sein und meine Gedanken wieder in den Schwung kommen.

Ich hoffe es geht euch gut!


Ein paar digitale Bilder einer meiner Wanderungen.