Bildblind (2017)

Falls du es lesen solltest, lieber Chef. Es war eine sehr schöne Zeit, aber ich hatte einfach ein Problem. Du wusstest es und hast dich nie darüber beschwert, danke dafür – es tut mir aber trotzdem sehr leid.

Manchmal mag ich nicht mehr. Sehen, es ist so furchtbar anstrengend.
Seitdem ich wieder in fotografischem Lohn stehe nimmt ein Problem zu, die Bildblindheit!
An manchen Tagen sitze ich in meiner Arbeitszeit acht Stunden vor dem Monitor, genauer gesagt an Photoshop. Irgendwann kann und mag ich nicht mehr, ich sehe das jeweilige Bild nicht mehr richtig. Aus diesem Grund mache ich Auftragsbilder sehr ungern an einem Tag fertig, der frische Blick vom nächsten Tag muss unbedingt her. Doch dann geht es wieder von vorne los. Es ist nicht nur eine Lustlosigkeit, sondern mir wird manchmal richtig übel, bekomme doofe Laune und will das jeweilige Bild eigentlich gar nicht mehr anschauen.
Manchmal habe ich das Gefühl diesem Beruf nicht gewachsen zu sein. Klar, Fotografie ist mein Leben und ganz schlecht bin ich in dieser Sache nicht. Da bin ich mir bewusst, doch es wird mir oft zu viel.
Dann sehe ich die noch so korrekturbedürftigen Sachen bzw. Fehler nicht mehr und eine große Unzufriedenheit stellt sich dadurch ein.
Dadurch, dass jeder anders sieht gibt es in diesem Beruf in vielen Bereichen kein generelles richtig und falsch. Es ist zwar auf der einen Seite ein Abarbeiten eines Arbeitsablaufes, doch da jedes Bild anders ist, gehen hier viele Entscheidungen mit ein. Entscheidungen, welche ich selbst für „fremde“ Bilder nicht treffen mag und kann – und manchmal auch einfach nicht mehr sehe.

Bei meinen eigenen Arbeiten ist es wesentlich leichter. Hier kann ich aufhören wenn ich auf das bzw. die jeweiligen Bild(er) gerade nicht klar komme. Auf der Arbeit bin ich den Bildern irgendwie ausgeliefert, ich „muss“ ja arbeiten Es ist ein Job, ich sollte mich zusammenreißen. Das ist jedoch nicht immer gut machbar und wenn ich mich in manchen Momenten dazu zwinge, dann geht es mir wie eben beschrieben.
Ich hab keine Ahnung in wie weit dies normal ist und mich einfach blöd anstelle. Genau dies wurde mir schon, jedoch nicht auf Arbeit, vorgeworfen wenn ich davon erzählte.
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Schlussendlich mache ich es ja, also meine Arbeit, doch die Zweifel kommen immer wieder hoch.
Ist diese Bildblindheit nicht doch vielleicht als Zeichen zu deuten, einen anderen Beruf zu wählen? Die Bilder bleiben im Leben, doch weniger und anders, privater. Oder ist dieses Problem doch nicht normal und ich sollte schauen wo denn die Wurzel ist?
Denn eigentlich mag ich meinen Job doch, er gehört zu mir – Bildblindheit hin oder her!