Im Mai 2017 besuchte ich für einige Tage London und zog mit Marco Wittkopf durch die Straßen. Wir kamen zufällig an einer Demo vorbei und diese Situation bietete sich perfekt für eine Idee an, welche ich schon länger im Kopf hatte. So wurde auch das Audiogerät ausgepackt um die Stimmung auf einer weiteren Ebene einzufangen.
Alles hat damit angefangen, dass der Marco so wenig fotografiert. Zwar bin ich selbst sehr wählerisch und motivschwierig, doch wenn ich anderen schöne und ihnen noch unbekannte Orte zeige, dann wundert mich dieses „nicht-fotografieren“ durchaus. Klar sind diese Gedanken irgendwie komisch und meiner Einstellung komplett entgegengesetzt, doch da ich diese habe musste ich einfach handeln.
Die Grundidee basiert auf der Halbformatkamera, welche sich gerade bei mir in „Pflege“ befindet. Da es bei Marco durchaus sehr lange dauern kann, bis dieser einen KB-Film voll hat, fand ich es reizvoll ihn mit der doppelten Bildladung zu konfrontieren. Er sollte diesen Film mit den circa 72 Bildern in einem Tag durchziehen (voll machen).
Ich bin zwar eine Verfechterin des überlegten Bildes, doch ein bisschen Seh- und Fotografiegymnastik kann ab und zu nicht schaden. Es soll ja auch kein wahlloses Drauflosgeknipse sein, sondern als Außeinandersetzung mit Motiven, welche man eigentlich (freiwillig) nicht fotografieren würde, gesehen werden. Gerade dazu finde ich diese Kamera genial, denn die entstehenden Bilder sind nicht teuer und es fotografiert sich mit dieser Kamera einfach recht locker und flockig – aber trotzdem anders als digital. Schussendlich haben wir die ursprüngliche Idee etwas abgewandelt bzw. weitergesponnen. Es wurde ein fotografisches „Ich sehe was, das du nicht siehst“ daraus. Wir zogen gemeinsam durch die Straßen von Berlin, er mit und ich ohne Kamera. Jedes Mal wenn ich etwas für mich interessantes sah, sagte ich mein kleines Sprüchlein, guckte in die entsprechende Richtung und/oder gab ein oder mehrere Motivtipps. Ich war sehr auf die Ergebnisse gespannt und darauf wie sehr unsere Sehweisen sich unterscheiden bzw. die Bilder welche ich in meinem Kopf hatte.
Ich möchte hier selbst nicht als bessere oder allwissende Fotografin auftreten, sondern sehe es als gegenseitiges Lernprojekt und als Motivation mal von den eingestampften Gewohnheiten und Sichtweisen abzukommen. Denn die Fotografie sollte nicht immer so furchtbar bitterernst sein. Das wird mir viel zu oft so gehandhabt. Manchmal, so finde ich es zumindest, sollte man auch einfach sein Hirn ausschalten und tun – daraus entstanden für mich persönlich schon so viele gute Erfahrungen.
„Ich sehe was, das du nicht siehst. Ich fotografiere ja nicht alles. Aber wenn man mal dazu getrieben wird durch die Augen oder den Sucher eines anderen zu schauen, eröffnen sich einem eine Palette an Motiven, an welche man vorher nie gedacht hätte. Ich kann im nachhinein sagen, dass ich dadurch mehr gelernt habe als durch jede andere Aktion. Jetzt entdecke ich auch beim spazieren viel mehr Motive als vorher. Danke dafür“
Letztes Jahr wurden im APHOG-Forum zwei, kameratechnisch unterschiedliche, “ 12 Monate – 12 Teilnehmer – 12 Bilder“-Aktionen gestartet. Mir geht es in diesem Text nun um einen kleinen Erfahrungsbericht mit der Seagull.
Ich hatte mich schon bewusst an das Jahresende gesetzt, doch leider nicht bedacht das der Tag im Winter weniger Licht hat. Das man somit weder vor noch nach der Arbeit fotografieren kann wurde mir zu spät bewusst. Nicht, wenn man wie ich keine Nacht- oder gar Dämmerungsaufnahmen aufnehmen möchte. Der Start mit der Kamera und mir gestaltete sich zusätzlich insofern schwierig, dass die Kamera nicht zu mir wollte. Das sie eigentlich schon längst bei mir hätte sein sollte hatte ich vor lauter unterwegs sein total vergessen. Aber dann kam die Nachricht des vorherigen Fotografen, dass die Kamera wieder bei ihm gelandet sei. Einige Tage später und einige Filme weniger (Portoersatz) war die Kamera wirklich da!
Doch die reine Anwesenheit der Kamera macht noch lange kein Foto. So kam sie einfach überallhin mit. Ich war mit ihr in Ostdeutschland, Freiburg, Köln…..doch nein, ich wollte und konnte kein Foto machen. Ich ging ganze drei (!) Wochen mit dieser Kamera und den Gedanken an das eine Foto schwanger. Diese Aktion verfolgte mich wie ein lästiger Schatten, doch ich konnte einfach nicht fotografieren! Ich hatte schon beinahe vorgehabt die Kamera ohne Foto an den Nächsten zu schicken, da überwand ich mich schlussendlich und inszenierte es mit einem Fahrrad vor dem Atelier. Es war nicht schwierig, tat auch nicht weh, ich musste einfach ein Bild weiter auf die Nummer 11 drehen und auf den Auslöser drücken. Schlussendlich war ich sehr erleichtert und schickte die Kamera weiter. Einige Wochen zu spät.
Es ist mit der (analogen) Fotografie manchmal wie mit einer Klassenarbeit bevor man sie zurück bekommt. Man schwebt gefühlstechnisch zwischen Neugierde und dem „nicht sehen wollen“ des Ergebnisses. So ist es bei mir meist der Fall!
Es hat sich schlussendlich wirklich ein Fehler eingeschlichen. Aber ich ärgere mich nicht besonders darüber, es ist absolut typisch für mich. Wer mich kennt, der weiß über mein fotografisches Fehlertalent bescheid. Schwamm drüber, aber so schnell mache ich bei so einer Aktion nicht wieder mit. Es ist wie eine Prüfung für mich und ich komme darauf nicht wirklich gut klar. Lieber stecke ich die (gedankliche) Engerie in meine eigenen Projekte. Es war zwar ein gutes Erlebnis, aber es hat so viele Nerven und Energie gekostet.
Schlussendlich ist kein wirkliches Bild für den letzten Fotografen übrig geblieben………sorry!
Mein Buchprojekt ist soweit fertig. Einzelstück, Handarbeit und unperfekt.
Es besteht aus dem Buch mit 23 Bildern, Schuber und kleinen Bildchen zum verschenken.